Bericht Becking

Herr Frank Becking, ein in Thessaloniki lebender Deutscher, hat uns folgenden, bewegenden Bericht geschrieben. Er suchte an diesem Tag einen Hund für sich selbst, und ist bei unserem Baldus fündig geworden;-) Was er an diesem Tag erlebte hat er für uns in einem Bericht festgehalten, das wollen wir Ihnen nicht vorenthalten !

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Liebe Frau Löttgen, Thessaloniki, den 28.03.2010

heute durfte ich mir Dinge anschauen, von denen man in Deutschland nur unter vorgehaltener Hand erfahren würde. Was ich erlebte muß zu Papier. Aber der Reihe nach. Ich hatte mich für Heute, Sonntag den 28. März 2010, mit Kostas um 9:30 Uhr Ortszeit am Eingang von Kavalla verabredet. Alles klappt bestens und ich steige zu Kostas ins Auto.

Wir fahren der Reihe nach einige Standpunkte ab, an denen herrenlose Hunde leben. Kostas steht noch nicht ganz, da kommen sie auch schon Schwanz wedelnd aus alles Ecken heran. Man scheint ihn hier gut zu kennen…Schnell und routiniert verteilt Kostas das mitgebrachte Essen und lässt, wie von mir positiv bemerkt, den Müll nicht liegen. Nein, er sammelt sogar noch welchen auf und nimmt ihn mit. Ein ungewöhnlicher junger Grieche. Der Reihe nach laufen wir so drei Plätze an, aber mein Hund ist nicht dabei. Alle zu groß. Dann fahren wir noch zu Daisy, die ich aber durch eine Namensverwechslung aus dem Internet schon kenne. Nein, sie ist es nicht….

Ich frage Kostas nach Baldus, Marios und den 7 kleinen Mädchen von der Müllkippe. Für Baldus hatte ich mich mal interessiert, aber Kostas sagte, er sei schon vergeben. Weil aber jemand neue Bilder ins Internet gesetzt hatte, dachte ich, er sei vielleicht noch frei. Warum sonst sollte das pasieren? Im Text der Anzeige war auch kein Vermerk. Marios hatte ich erst vor 3 Tagen im Internet entdeckt, weiß aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß er schwer verletzt ist. Bei den 7 Mädchen, waren 2 auf den Bildern zu sehen, die kleiner als ihre Schwestern waren und darum für mich interessant sind.
Kostas sagt, das sei praktisch, weil alle Hunde am gleichen Platz bei Fottini sind. Er bringt mich wieder zu meinem Wagen und während ich zu folgen versuche, fährt er griechisch vor. Dort werde ich kurz vorgestellt und Fottini übergeben, weil Kostas wie angekündigt, eine wichtige Verabredung hat und los muß.

Fottini und ich fahren mit ihrem stark nach Hunden riechenden Wagen, der angeblich eine Komplettreinigung hinter sich hat, in die Berge. Unterwegs redet Fottini wie ein Wasserfahl von ihren Lieblingstieren. Ich erfahre die ganzen Tragödien und wo und wie die Tiere gefunden wurden. Man spürt, daß ihr die Sache ans große Herz geht.
Nach etwa einer ¼ Stunde Fahrt durch zum Teil gebirgiges Gelände, ist an der Einfahrt zur Müllkippe der erste Halt an dieser relativ stark befahrenen Straße. Sofort sind wir von Hunden umringt, die freudig auf uns warten.

Dabei zwei große Welpen. Ich mag gar nicht hinschauen, als sie die Straße überqueren. Und obwohl die Tiere zum Heulen aussehen, ist doch keinerlei Aggression in ihren Gesichtern. Vorsichtig und langsam kommen sie näher. Schnuppern erst und sind dann ganz zutraulich und ruhig. Heute ist Sonntag und Fottini hat reichlich gekocht. Als Nachtisch gibt es dann noch eine Menge Trockenfutter.
Wir steigen wieder ins Auto und fahren hinauf zur Müllkippe. Musik aus einem Auto dröhnt herüber. Die Zigeuner, werde ich aufgeklärt. Crazzy people! Vor dem Tor der Deponie sind fast zwei Dutzen schauerlich aussehende große Hunde. Wie zuvor sind sie scheu und trauen sich zuerst gar nicht heran. Erst als die Hecklappe auf geht, kommen sie näher. Ich erfahre, daß die Zigeuner hier manchmal aus Spaß jagt auf die Hunde machen, warum sie so verängstigt sind. Die Deponie sieht total verdreckt aus, soll aber angeblich schon sauber und aufgeräumt sein. Ich frage mich natürlich sofort, wie das hier vorher aussah. Plastik war für Griechenland keine gute Erfindung…

Nachdem wir aus einigen Literflaschen, die Fottini mitgebracht hatte, noch Wasser nachgefüllt haben, fahren wir hinter die Müllkippe. Kaum stehen wir, kommen 7 schwarzweiße Wollknäuel fiebsend von allen Seiten heran und sind ganz aufgeregt. Dabei noch ein brauner größerer etwas älterer Hund. Die Kleinen sind zum verlieben. Wuseln uns zwischen den Beinen herum und machen auch sonst einen fitten Eindruck. Während Fottini das Essen gerecht verteilt und als Extragang heute Hühnchen mit hat, sind die Süßen ganz aus dem Häuschen und haben nur eines im Sinn; futtern. Die süße Helia könnte es mir schon antun, aber eigentlich stehe ich auf kurzhaarige Hunde.

Wir bleiben eine ganze Weile. Plötzlich hinter uns Reifengequitsche. Eine Vollbremsung. Einer der Zigeuner in einem Gelände Pickup hatte unser Auto hinter der Kurve nicht gesehen und wäre beinah, weil er wie ein Irrer fuhr, hinein gefahren. Unwillkürlich drängt sich mir sofort die Frage auf, wie der Mann wohl gefahren wäre, wenn wir nicht da gestanden hätten. Alles was dann auf der Straße gewesen wäre, hätte er platt gemacht. Dabei dürfte es sich inzwischen rumgesprochen haben, daß hier junge Hunde sind. Fottini kennt den Mann, der nun seitlich an unserem Auto vorbeischrammt und macht ein deutliches kreisendes Handzeichen an der Schläfe. Ohne auf irgendwas zu achten, gibt er gleich wieder Vollgas. Was geht im Kopf eines solchen Menschen vor, der sich schlimmer als ein Tier verhält?

Fottini macht sich Sorgen über seine Rückkehr wenn wir weg sind. Sie ist jeden Tag dankbar, wenn sie 7 Welpen zählt. Dann steigen wir wieder in den Wagen und fahren zurück auf das Gelände einer alten Kläranlage. Immerhin ist ein Zaun drum herum. Lautes Jaulen kommt aus dem ersten Haus. Wir gehen vorbei, weiter nach hinten, wo die Hunde sind, die auf den Transport nach Deutschland warten. Viele kenne ich von den Bildern aus dem Internet. Dann geht es zurück und Fottini öffnet die Tür zu dem ersten Haus. Laut und Schwanz wedelnd kommen die drei Geschwister heraus. Baldus fällt mir sofort auf: Das ist mein Hund! Aber auch Gonzales ist ein ganz lieber und straft den Bildern im Internet Lügen. Ein tolles Kerlchen. Baldus flitzt herum, kommt mal näher, schnuppert, lässt sich kraulen und tobt dann weiter. Er sprüht vor Lebensfreude. Da ich Jack Russel Fan bin und Münsterländer liebe, ist er die perfekte Mischung. Sofort ist klar, er ist es. Wir lassen die kleinen noch etwas toben, dann kommen sie wieder ins Haus, wo sie nicht wirklich hinwollen, wenn man dem Türgekratze und Gejaule glauben darf.

Zurück bei Fottini, werde ich ins Haus geladen und lerne ihren Mann und ihren 3 jährigen Sohn kennen, der mich scheu beäugt. Im Raum sind auch drei nette Hunde und alle wollen gestreichelt werden. Auf dem Balkon leben 4 Katzen, von denen die eine wie eine lodernde Flamme ausschaut. Wir trinken griechischen Mocca und unterhalten uns, auch über Gott und die Welt im Allgemeinen. Ich bin beeindruckt von der Frau, die ihre wenige Zeit den Tieren opfert. Neben ihrer normalen Arbeit wendet sie 3 Stunden täglich, bei einer 7 Tage Woche für die Tiere auf, von den Unkosten und Ausgaben gar nicht zu sprechen. Da sitzt eine unbekannte Alltagsheldin vor mir, unscheinbar aber Undank ist der Welten Lohn, denn was hat sie sich schon mit den Nachbarn wegen der Hunde erzürnt und sich unbeliebt gemacht. Die meisten reden, aber sie handelt. 

Ich frage nach Marios und erfahre, daß er verletzt im Keller liegt, weil er von einem Auto angefahren wurde. Armer Kerl. Das linke Hinterbein hat mächtig was abbekommen und der Tierarzt war auch schon da. Bevor ich wieder los fahre, will ich in unbedingt noch sehen. Wir laufen ums Haus und gelangen von hinten in die Hundepflegestation, was die Nachbarn nicht unbedingt sehen sollen. Marios ist wach, liegt auf der Seite und kann nicht aufstehen. Trotzdem freut er sich Fottini zu sehen. Das Futter, das sie in den Korb legt, frisst er gierig und reichlich. Ein gutes Zeichen. Wäre das Bein nicht, würde er einen gesunden Eindruck machen. Aber er ist ein tapferes hübsches Kerlchen und erinnert mich an den Drachen in der endlosen Geschichte. Er kann Baldus nicht das Wasser reichen, aber wie er da so tapfer liegt, keinen Piep von sich gibt, da würde ich ihn am liebsten auch mitnehmen. Leider hab ich nur Platz für einen. Leider muß ich mich entscheiden. Glück ist, wenn man die Wahl hat und beides nehmen kann. So bin ich also ein Glückloser und doch glücklich.

Auf der Heimfahrt gab es viel nachzudenken, viele Eindrücke die mich bewegten. Ich fragte mich nach dem Recht der Menschen auf diesem Planeten zu sein, und nach dem Recht darüber zu entscheiden, wer noch bleiben darf. Meiner Meinung nach, hat jede Mücke, auch wenn mir ihre juckende Beule nicht gefällt, das gleiche Recht wie ich, auf diesem Planeten zu sein. Leben nehmen sollte nur der, der auch leben geben kann. Da der Mensch an sich das aber nicht kann, sollte er davon absehen, andere Lebewesen zu seinem Nutzen, oder noch schlimmer, zu seinem Spaß, zu quälen und zu töten. Bei Buddha heißt es, man soll allen Lebewesen helfen aber wenn man das nicht vermag, sollte man darauf achten kein Lebewesen zu verletzen.

So, Frau Löttgen, das musste raus. Wenn ich darüber geschlafen hätte, also Morgen, dann sähe die Welt schon wieder anders aus. So aber kann ich meine heutigen Eindrücke ungeschminkt niederschreiben und sicher sein, dass sie nicht durch den Schlaf verfälscht werden.

Liebe Grüße aus Griechenland

Frank Becking

 

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